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Homeschooling

Homeschooling – Hausunterricht

Hausunterricht (auch häuslicher Unterricht, Heimunterricht, Domizilunterricht oder Homeschooling) ist eine Form der Bildung und Erziehung, bei der die Kinder zu Hause oder an anderen Orten außerhalb einer Schule von den Eltern oder von Privatlehrern unterrichtet werden. Die konkrete Praxis des Hausunterrichts kann sehr unterschiedlich aussehen. Das Spektrum reicht von stark strukturierten, an traditionellem Schulunterricht orientierten Formen bis hin zu offenen wie dem Unschooling.

In Ländern mit gesetzlicher Regelung der Schulpflicht ist Hausunterricht in der Regel nicht erlaubt.

Hausunterricht darf nicht mit Fernunterricht, Distanzunterricht oder Onlineschooling verwechselt werden. Mit einer semantisch falschen Verwendung des Synonyms Homeschooling wird die Verantwortlichkeit für den Schulunterricht bei Beschulungspflicht (Deutschland) verschleiert.

Früher war Hausunterricht in vielen Ländern insbesondere in den höheren Ständen verbreitet;[2][3] in den meisten Königshäusern Europas wurde es sogar erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblich, den Nachwuchs in eine Schule zu schicken. Erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht in einigen Ländern kam es zu gesetzlichen Verboten, den Nachwuchs primär außerhalb einer Schule zu bilden.

Hausunterricht erhielten in ihrer Jugend unter anderem:

Johann Wolfgang von Goethe in Nachahmung adliger Lebensverhältnisse
Albert Sachs als Sohn des jüdisch-preußischen Regierungsbauinspektors Salomo Sachs
Wolfgang Amadeus Mozart, weil er seine Kindheit zu einem großen Teil auf Konzertreisen verbrachte
Dietrich Bonhoeffer

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war das Dasein als Hauslehrer (Hofmeister) für viele stellenlose Akademiker der einzige Weg, der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Als Hofmeister arbeitete unter anderem Friedrich Hölderlin.

Die Kultusministerkonferenz schätzt, dass es trotz der Tatsache, dass in Deutschland mit dem Reichsschulpflichtgesetz im Jahr 1938 der Heimunterricht verboten wurde,[4] bundesweit etwa 500 bis 1000 Familien gibt, die Hausunterricht betreiben.[5]

Während der COVID-19-Pandemie in Deutschland wurde der Präsenzunterricht in Schulgebäuden in allen Bundesländern eingestellt. Da in Deutschland Beschulungspflicht besteht, erfolgte eine Umstellung auf Distanzunterricht oder Onlineschooling. Es besteht weiterhin die Pflicht zu Teilnahme an den alternativen Formen des Unterrichts. Durch die Beschulungspflicht wurde keine Schule geschlossen. Der Staat ist verpflichtet alternative Formen des Unterrichtes sicherzustellen.

Da in Deutschland nicht Bildungspflicht, sondern Schulpflicht besteht und diese im Gegensatz z. B. zur österreichischen Unterrichtspflicht an einen Schulbesuch gebunden ist (Schulzwang, zwingender Schulbesuch), darf nur in Sonderfällen von dem Besuch einer Schule abgesehen und Hausunterricht erteilt werden. Die herrschende Rechtsprechung erlaubt Hausunterricht nur für Schüler, deren Eltern im Ausland arbeiten, oder für Schüler, die wegen Behinderung oder Krankheit nicht transportfähig sind („Krankenunterricht“). Auch hier sind der staatliche Lehrplan und examinierte Lehrkräfte die Grundlage des Unterrichts. In Einzelfällen gab es bereits Erzwingungshaft für Erziehungsberechtigte, die ihre Kinder nicht zu einer staatlich anerkannten Schule schickten.

Nach einer Schätzung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen werden in Deutschland zwischen 40 und 80 Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule geschickt. Insgesamt wird die Zahl der Kinder, die zu Hause unterrichtet werden, derzeit auf 500 bis 3000 geschätzt.

In den USA wird die Philadelphia-Schule von Helmut Stücher als Hausunterrichts Vertreter in Deutschland gesehen.[28] Die Auseinandersetzung zur Existenz der Schule wurde in der Politik zeitweise sehr hart geführt.

Im Jahre 2002 kam es zu Verfahren und Einsätzen gegen die Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme. Im Winter 2003 folgte ein Verfahren gegen eine Familie aus Hessen, die für sich in Anspruch nahm, bibeltreue Christen zu sein und ihre fünf schulpflichtigen Kinder von der Schule abgemeldet hatte. Den Eltern der Zwölf Stämme wurden die Kinder entzogen, da ihre Religion körperliche Züchtigung vorschrieb und diese international geächtet ist. Es wurden Buß- und Zwangsgelder von über 130.000 Euro gegen die Glaubensgemeinschaft verhängt, jedoch nie bezahlt. Im November 2004 versuchten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft, den Konflikt mit den Behörden durch einen Kompromiss zu lösen, etwa durch das Angebot an das zuständige Kultusministerium, durch den Besuch eines Schulpsychologen einen Eindruck vom Leistungsstand der Kinder zu erhalten. Das EGMR hat 2018 den Entzug der Kinder durch die Behörden gerechtfertigt und eine Lehrerin wurde für die Züchtigung der Kinder zur Rechenschaft gezogen.[30]

Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung Vernor Muñoz äußerte sich in seinem in Berlin veröffentlichten Bericht vom 6. März 2007 besorgt darüber, dass die restriktive deutsche Schulpflicht die Inanspruchnahme des Rechtes auf Bildung mittels alternativer Lernformen wie Heimunterricht kriminalisiere.

Im Januar 2010 gewährte ein US-Gericht der deutschen Familie Romeike Asyl, da sie aufgrund ihres christlichen Glaubens in Deutschland verfolgt worden sei. Der Richter war der Ansicht, die deutsche Regierung versuche Hausunterricht auszumerzen, was eine Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts sei. Im Mai 2013 hob das Board of Immigration Appeals in Ohio dieses Urteil mit der Begründung auf, dass die Einwanderungsgesetze der USA kein automatisches Bleiberecht für all jene Menschen garantierten, die in einem anderen Staat Einschränkungen erfahren, die es unter amerikanischer Verfassung nicht gäbe.[33][34] Der Oberste Gerichtshof in Washington bestätigte diese Entscheidung im Februar 2014. Der US-Hausschulverband HSLDA versucht nunmehr, eine Gesetzesänderung zu erreichen.[35] Unabhängig von der Rechtsprechung, wonach in Deutschland keine Christenverfolgung bestehe, wird in Einzelfällen immer wieder Eltern wegen dieser Thematik das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen,[36] oder die Eltern werden deswegen inhaftiert. Eine neue Dimension erlangte in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt, wonach einer Familie im Dezember 2013 wegen Gefährdung des Kindeswohls die Ausreise nach Frankreich untersagt und somit deren Ausreisefreiheit (nicht aber deren Freizügigkeit[38]) eingeschränkt worden ist.[39]

Im April 2010 wurde von insgesamt über 5400 Mitzeichnern eine Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht, mit der eine Straffreiheit für Eltern erreicht werden sollte, die ihre Kinder zuhause unterrichten. Das Petitionsverfahren wurde im November 2011 negativ abgeschlossen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG werde nach Auffassung des Petitionsausschusses mit der in Deutschland bestehenden Schulpflicht dem Erziehungsauftrag des Staates nachgekommen, ohne das Erziehungsrecht der Eltern zu stark einzugrenzen. Trotz der Tatsache, dass es innerhalb der EU außer in Deutschland nur noch in Bulgarien und Malta ein striktes Hausschulverbot gebe, stehe das Hausschulverbot im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Das Hausschulverbot wurde 2019 bestätigt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Die Beschwerde der Familie Wunderlich wurde abgewiesen und die Maßnahmen des Staates als vereinbar mit der EMRK eingestuft

https://de.wikipedia.org/wiki/Hausunterricht